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Polen
Polen
liegt im Herzen des mitteleuropäischen Tieflands, das
sich von Nordfrankreich bis nach Russland erstreckt. Das erklärt,
dass sich der Name der „Polanen“ vom slawischen
Wort für „Feld“ ableitet.
Dank
seiner weiten Ebenen und den fruchtbaren Böden Schlesiens
ist Polen ein Agrarland. Angebaut werden unter anderem Roggen,
Gerste, Weizen, Zuckerrüben und Kartoffeln. Ausserdem
ist die Produktion von Schweinefleisch eine der grössten
Europas. Die Steinkohleproduktion in Schlesien ist die fünftgrösste
der Welt, aber die Förderung rentiert sich nicht mehr,
obwohl die Branche seit 1990 fünfmal restrukturiert wurde.
Abgebaut werden auch Eisen, Zink, Kupfer, Schwefel, sowie
Erdgas – und zwar vorwiegend in den Karpaten.
All
das führte zur Entstehung einer Eisen-, Stahl-, Maschinenbau-
und Textilindustrie in Schlesien, sowie bei Warschau, Lodz
und Poznan. An der Ostseeküste verfügt Polen über
die Hafenanlagen von Danzig und Gdynia und den Hafen von Stettin
an der Odermündung.
Dort
ist der Schiffbau noch einigermassen aktiv. Polen unterhält
Handelsbeziehungen zu den skandinavischen Ländern (die
schwedische Küste ist nur 150 Kilometer enfernt), und
es ist Mitglied des Ostseerates, in dem sich seit 1992 alle
Anrainerstaaten der Ostsee gegen Umweltverschmutzung und für
wirtschaftliche Entwicklung einsetzen. Soweit zu den Voraussetzungen,
die Polen dabei geholfen haben, zur Marktwirtschaft überzugehen,
und am 1. Mai 2004 der EU beitreten zu können. Betrachten
wir Polen also unter dem Gesichtspunkt seiner Zugehörigkeit
zur Europäischen Union. Das Land war mit 312.000 Quadratkilometern
das grösste und mit 38 Millionen Einwohnern auch das
bevölkerungsreichste der zehn Beitrittsländer von
2004.
97
Prozent der Polen sind katholisch, weshalb sich das Land oft
als katholischer Vorposten gegenüber dem orthodoxen Osteuropa
gefühlt hat.
Man
darf nicht vergessen, dass der EU-Beitritt für Polen
nach seiner 45jährigen unfreiwilligen Zugehörigkeit
zum atheistischen Ostblock in gewisser Weise eine Rückkehr
nach Europa darstellt.
Nun
zu den Problemen. Es darf nicht verschwiegen werden, dass
der Beitritt auch Anlass zur Besorgnis gibt. Und zwar auf
beiden Seiten und aus mindestens vier Gründen.
Die
heutigen Grenzen Polen stammen aus dem Jahr 1945. Vor dem
zweiten Weltkrieg gehörte etwa ein Drittel des jetztigen
Staatsgebiets zu Deutschland. Deshalb befürchtet man
in Polen, dass nach der EU-Erweiterung die aus Polen vertriebenen
Deutschen die Länder ihrer Vorfahren zurückzukaufen
versuchen.
Deshalb
hat die polnische Regierung erreicht, dass EU-Bürger
erst nach einer Übergangszeit von zwölf Jahren Agrarland
in Polen kaufen dürfen.
Ein zweiter Grund zur Besorgnis ist die Landwirtschaft. In
Warschau fürchtet man der Konkurrenz auf dem europäischen
Markt nicht gewachsen zu sein. Und in Brüssel macht man
sich Sorgen um steigende Kosten für die gemeinsame Agrarpolitik.
Denn in der polnischen Landwirschaft sind fast 20 % der Erwerbstätigen
beschäftigt, die aber nur 4 % des BIP erwirtschaften.
Ausserdem sind 56 % der Betriebe Kleinbetriebe mit weniger
als 5 Hektar Ackerland, die keinen Anspruch auf Mittel aus
den europäischen Strukturfonds haben.
In den kommenden 20 Jahren dürften deshalb 40-50 % der
Arbeitsplätze in der polnischen Landwirtschaft verschwinden,
was bedeutende soziale Kosten mit sich bringen wird.
Ein dritter Grund zur Besorgnis ist die polnische Ostgrenze.
Die Grenze zu den drei östlichen Nachbarstaaten Russland,
Weissrussland und Ukraine bildet die neue Aussengrenze der
Europäischen Union. Sehen wir uns das auf der Karte an:
Polen
wird die Bedingungen des Schengener Abkommens erfüllen,
will aber gleichzeitig flexibel gegenüber seinen drei
Nachbarn im Osten bleiben. Der Grundgedanke ist, sich vor
Schmuggel, Terrorismus und Kriminalität zu schützen,
ohne dabei den Personenverkehr und den Warenverkehr zu beeinträchtigen.
Ausserdem möchte man sich nicht gegenüber Weissrussland
und der Ukraine abschotten, denn dort leben Polen und es sind
wichtige Wirtschaftspartner.
Im
Zuge der Wirtschaftskrise versuchen nämlich zahlreiche
Ukrainer ihr Glück im Ausland, und es sollen bereits
fast eine Million Ukrainer illegal in Polen arbeiten. Darüber
hinaus reisten 2002 die meisten asiatischen Flüchtlinge,
die in die EU zu gelangen versuchten, über Polen ein.
Der
vierte Grund zur Sorge, der einige Mitgliedsländer betrifft
(darunter Deutschland und Frankreich), ist die Teilnahme Polens
an der Intervention gegen den Irak im Jahre 2003. Zu dieser
Haltung Polens kam es wahrscheinlich aus mehreren Gründen.
Zum einen darf man die geografische Lage des Landes nicht
vergessen, die einen grossen Einfluss auf seine Geschichte
hatte. Auf der Karte wird deutlich, dass Polen kaum über
natürliche Grenzen verfügt (ausser im Süden
die Sudeten und die Karpaten) und es deshalb militärischen
Angriffen stets nahezu schutzlos ausgeliefert war.
Immerhin
war Polen zweimal ganz von den Landkarten Europas verschwunden.
123 Jahre lang von 1795 bis 1918:
Und dann erneut im zweiten Weltkrieg, als es vom sowietischen
und vom deutschen Nachbarn geschluckt wurde.
Womöglich
ist das einer der Gründe warum sich Polen nach dem Ende
des Kommunismus den westeuropäischen Sicherheitsstrukturen
annäherte. Und als erstes wurde Polen dank der Zustimmung
Washingtons 1999 in die NATO aufgenommen, während es
die EU bis 2004 warten liess. Natürlich hat diese sofortige
amerikanische Unterstützung die USA in Mitteleuropa beliebter
gemacht. Und die polnische Entscheidung statt dem Eurofighter
amerikanische F16 Kampfjets zu kaufen, hat zwar budgetäre
Gründe aber auch sicherheitspolitische Gründe. Ausserdem
ist in den USA die weltweit grösste polnische Minderheit
zu Hause. Dort leben über 9 Millionen Polen. Und so hat
die Unterstützung für die amerikanische Intervention
im Irak womöglich auch moralische Gründe.
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